
Also fing ich an nachzudenken - über den Ablauf und wie es generell so gehen könnte. Denn wenn ich etwas gelernt habe in der Vergangenheit, dann dass ein Vortrag nie dem anderen gleicht. Es hängt nicht nur von der eigenen Tagesform und Vorbereitung ab. Viel wichtiger ist hier doch das Publikum. Und auch der Zeitpunkt ist nicht unwesentlich. Vormittags ist besser als Nachmittags. Mein Vortrag wurde um 16:15 Uhr terminiert. Na gut, sagte ich zu mir, dann musst du eben besonders ausgeschlafen sein und mit der Thematik den Dialog suchen. Und als ob ich es geahnt hätte, sagte ich schon während der Vorbereitung zu meiner Kollegin „Vielleicht sollte ich einfach mal improvisieren und sehen wo das hinführt“. (Sie riet mir jedenfalls davon ab.)
So erarbeitete ich einen Vortrag, bei dessen Erstellung ich selbst nicht aus dem Staunen herauskam. Nicht, weil er ja ach so toll war. Nein, vielmehr weil ich gezwungen wurde als Cloud Provider die „Täterrolle“ einzunehmen und mich mit den Auswirkungen unseres Tuns zu beschäftigen. Seit mittlerweile 2 Jahrzehnten bauen wir Server, hosten diese in unseren Rechenzentren, erarbeiten IT-Lösungen mit und für unsere Kunden. Eigentlich ein solides und immer noch spannendes Geschäftsfeld. Aber es verändert sich und zwar rasant. Cloud Computing ist erwachsen geworden und sicher keine Modeerscheinung (mehr). Es beeinflusst so gut wie alle Bereiche unseres Lebens und natürlich auch die Arbeitswelt. Also lese ich Studien, beschäftige mich mit Pro und Kontras und denke mir: „Es stimmt! – Wir müssen uns von der alten Arbeitswelt verabschieden.“ Die Arbeitswelt, wie wir sie bisher kennen, wird es in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Wir haben ihn erschaffen – den offenen Raum. Dieser Raum führt Milliarden internetfähiger Geräte mit menschlichem Handeln zusammen. Die entscheidende Rolle der Cloud dabei kann nicht verleugnet werden. Sie ist sogar als zentrales Element des gegenwärtigen Wandels zu verstehen. Nur, wenn wir das verinnerlichen, können wir strategiefähig sein. Und irgendwo steht: Unser Leben wird sich in der Cloud abspielen und über diese gestaltet werden. Woran denken Sie jetzt? Matrix? Ja, ich auch.
Es ist 16:15 und ich spreche schon vor Beginn mit einigen Unternehmern. Und ich merke, das Thema ist wirklich vielseitig und jeder scheint eine Meinung zu haben. Auch die bereits Platz genommenen Zuhörer in der Nähe unserer kleinen Diskussion steigen mit ein. Aber irgendwann stehe ich auf, schnappe mir das Mikrofon und begrüße die erfreulicherweise zahlreichen Gäste. Ich komme bis zur vierten Folie. Das war es! Mein Vortrag, die ganze Arbeit, es scheint für umsonst. Mitnichten! Sicher, der Vortrag ist Geschichte. Ich mutiere sozusagen vom Laudator zum Moderator. Und dies liegt einfach an dem anfangs erwähnten Publikum. Tolle, interessierte Menschen - zum Teil Angestellte, zum Teil Unternehmer. Eine gesunde Mischung! Und ich moderiere und muss agieren, sofort eingehen, Fragen aufwerfen und manchmal einfach nur reden lassen – und zuhören!
Ich bin fasziniert, wie ein Christian Fischer (TecArt) mitreißend von seiner Cloud Software berichtet, die zweifellos das mobile Arbeiten verändert, wenn nicht gar maßgeblich beeinflusst hat. Ich erfahre von Herrn Ratajczak von der KNV Logistik GmbH, warum das gedruckte Buch alles andere als ausgestorben ist und wie durch die Cloud und digitale Revolution sich das Geschäft geändert hat. Positiv, zukunftsorientiert und irgendwie brauchen wir hier nicht die Matrix. Ich atme innerlich fast auf und lausche gespannt, was eine Mitarbeiterin der Deutschen Post über aktuelle Projekte und Zukunftsvisionen erzählt. Und, dass sie schon fast 40 Jahre im Unternehmen ist und so viele Veränderungen mitgemacht hat. „Warum sollte sie Angst haben?“ antwortet sie auf meine Frage nach Zukunftsängsten. Veränderungen sind ja nicht schlecht. Auch wenn alte Geschäftsmodelle überholt sind, entwickeln sich doch neue. Daraufhin platziere ich das Beispiel Otto Versand, dem aus meiner Sicht der Sprung hervorragend geglückt ist. Da der Vortrag unter einem guten Stern zu stehen scheint, ist natürlich auch jemand im Raum, der Erfahrungen mit eben diesem Otto Konzern gemacht hat. Herr Myrth von der Playcom Software Vertriebs-GmbH gewährt interessante Einblicke. Ich setze mich neben ihn und denke dabei: Wirklich toll - als ob es abgesprochen war. Nur war es das nicht!
Wie schnell doch eine Stunde vergeht! Während ich Herrn Dr. Spiller von der IMMS aus Ilmenau lausche, schleicht sich fast schon ein wenig Wehmut ein. Schon vorbei! Schade! Ich habe das Gefühl, als hätten wir noch ewig weitermachen können und nur einen kleinen Teil thematisieren können.
Was wir definitiv in dieser Runde festgestellt haben: die Cloud schafft Chancen für neue Geschäftsmodelle. Damit einhergehend muss aber auch die Bereitschaft der Akteure da sein, ihre Arbeit und Wertschöpfungssysteme (neu) zu bewerten und organisieren. Eine besondere Rolle kommt dabei den Mitarbeitern zuteil, welche während des gesamten Veränderungsprozesses abgeholt und integriert werden müssen. Es gilt, sie zu verstehen und ihre Ängste zu nehmen. Über die Cloud können situativ Runden aus festangestellten Mitarbeitern, Kunden, Partnern, Freelancern und Crowdworkern gebildet werden, die Unternehmen enorm bereichern, aber gleichzeitig auch für Unruhe und Druck sorgen können. Denn, wenn selbst die Arbeitskraft in Form von Crowdworkern durch die Cloud ersetzt werden kann, warum dann überhaupt noch Fachkräfte und Mitarbeiter fest einstellen?… Und so setzt sich das Thema fort bis hin zur Spitze des Eisbergs: Wenn sämtliche Strukturen des Unternehmens auf Cloud Computing und Internet of Things basieren, was passiert dann im Fall eines Systemausfalls? Das Unternehmen steht still. Und dann?
„Frank, wann hören wir den kompletten Vortrag?“ fragt mich lächelnd Enrico Bock von der Sichtweise Agentur aus Eisenach. Ich lächle zurück und sage: „Gar nicht. Wir müssen einfach diese Runde irgendwann einmal weiterführen.“ Und denke mir dabei, dass ich einfach nur dasitzen und zuhören werde. Denn auch, wenn die Cloud unser Leben verändert hat – hier sitzen Menschen und diskutieren wie eh und je über das, was sie bewegt und schauen sich dabei in die Augen. Und ich genieße und lerne! Workshops machen mir einfach Spaß...
